Ist Österreichs Fußball reif für eine 16er-Liga?

Der momentane Modus in der höchsten Spielklasse sorgt immer wieder für Diskussionsstoff. Der Teamchef selbst forderte eine Aufstockung von zwölf auf sechzehn Teams. Aber ist das realistisch?

Michael Matzenberger, Andreas Gstaltmeyr

Will man einer unbeteiligten Person den Modus der österreichischen Fußball-Bundesliga erklären, könnte es zu Verwirrungen kommen. Wenn nämlich die Saison zu ungefähr zwei Dritteln vorüber ist, werden die zwölf Teams in ein besseres und ein schlechteres Sechser-Klassement getrennt und die bisher erspielten Punkte halbiert. Weil das bei einer ungeraden Punkteanzahl zu einer Nachkommastelle führen kann, wird gegebenenfalls auf die nächste ganze Zahl abgerundet; dermaßen benachteiligte Klubs würden bei etwaiger Punktegleichheit am Saisonende gegenüber der Konkurrenz bevorzugt.

Nach diesem Schnitt begegnen die Teams innerhalb der jeweiligen Halb-Klassements einander noch je zweimal, aber nicht mehr den Bundesligisten der anderen Hälfte. Am Ende trifft der Erste der schlechteren Hälfte (also der Siebte insgesamt) in einem Play-off auf den Zweiten der schlechteren Hälfte (also den Gesamt-Achten); der Sieger dieses Duells wiederum matcht sich mit dem Fünften der besseren Hälfte um einen Europa-Conference-League-Platz. Kommt allerdings der Cupsieger in der Liga nicht unter die besten vier, muss der Viertplatzierte ins Play-off. Der dazwischenliegende Sechste? Schaut bei dem ganzen Spaß zu und bleibt Sechster.

Alle Ideen willkommen

Bei dem Brainstorming, dem dieses Wettbewerbsformat entsprungen ist, scheinen alle Ideen willkommen gewesen zu sein. Seit der Saison 2018/19 wird Österreichs höchste Fußballliga nach diesem Modus bestritten, aber nicht alle sind damit restlos zufrieden. ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick formulierte etwa vergangenes Jahr in einem Interview mit dem “Kurier” seinen Unmut über das Format: "Wir haben eine Situation mit einer relativ kleinen Liga mit nur zwölf Vereinen. Die meisten anderen, auch kleinen Nationen, haben eine 16er- oder 18er-Liga."

Rangnick brachte die Idee einer simplen 16er-Liga auf: Jeder gegen jeden, einmal zu Hause, einmal auswärts, 30 Spiele – und passt. "Mit vier Teams mehr in der Bundesliga hätten mehr junge Spieler die Chance, auf oberstem Niveau zu spielen", sagt der Teamchef.

Ein offizielles Statement der Liga (ÖFBL) über eine mögliche Aufstockung gibt es derzeit nicht. Das soll aber kein Hindernis für ein Gedankenexperiment sein: Ist Österreichs Fußball reif für eine 16er-Liga? Um die Frage zu beantworten, wollen wir uns zunächst den messbaren Rahmenbedingungen widmen.

I. Der Blick über die Grenzen

Einen ersten Anhaltspunkt dafür könnte ein Blick über den Tellerrand liefern: Wie wird anderswo im europäischen Ausland gespielt? Heute übliche Ligagrößen spannen sich im Herrschaftsgebiet der Uefa von lockeren acht bis zu gedrängten zwanzig Teilnehmern.

Moldau und der Zwergstaat Andorra kommen mit nur acht Vereinen aus. Zehnerligen gibt es in 15 Nationen, rein zahlenmäßig ist das auf dem Kontinent also die üblichste Form, Oberhausfußball zu betreiben (regional allerdings äußerst verdichtet am Balkan, am Kaukasus und im Baltikum). Neben Österreich ermitteln zehn weitere Staaten den Meister in Zwölferligen.

Rangnicks Vorschlag von 16 Teams wird in elf Ländern praktiziert. Und zehn Verbände lassen die Meisterschaft von 18 oder 20 Klubs ausfechten, darunter mit England, Spanien, Italien, Deutschland und Frankreich auch die Big Five. Auf einer Landkarte sieht das Ganze so aus:

An Aussagekraft gewinnt die Aufschlüsselung, wenn man verschiedene Kennzahlen an sie anlegt. Betrachten wir zunächst die Einwohnerzahl. Wie das erwähnte Beispiel Andorra zeigt, neigen kleinere Nationen zu kürzeren Tabellen (Liechtenstein als weiterer Zwergstaat etwa hat gar keine Liga, sondern nur einen Cup) und bevölkerungsreiche Staaten zu eher längeren.

Das ist nachvollziehbar, denn Länder mit vielen Einwohnern haben in der Regel mehr Aktive und eine Ligapyramide mit Profifußball auch auf zweit- oder sogar drittklassiger Ebene. Mehr Großstädte bieten außerdem die für den Spitzenfußball notwendige Infrastruktur, und die insgesamt größeren nationalen Märkte erlauben höhere Werbe- und Lizenzeinnahmen.

Österreich befindet sich bei dieser Kennzahl mit mehr als 9,1 Millionen Einwohnern im Bereich von Ländern, die üblicherweise 14er- oder 16er-Ligen betreiben.

Nahe an der vorangegangenen Statistik liegt jene der Stadionbesucher, denn Vereine in großen Ländern mit vielen Ballungsräumen haben üblicherweise auch einen höheren Zuschauerschnitt.

Umgekehrt ist Fußball in kleineren Ländern mit Ligen von nur zwölf oder weniger Teams häufig kein Straßenfeger. Österreich bildet hier eine Ausnahme; trotz Zwölferliga besuchten letzte Saison im Schnitt mehr als 7.500 Menschen jedes Spiel. Die Bundesliga reicht damit nicht nur an den Mittelwert anderer 16er-Liga-Nationen heran, sondern übertrumpft ihn sogar deutlich.

Wichtige Ligen tragen oft nicht nur eine große Anzahl an Vereinen, sie üben auch eine hohe Anziehungskraft auf gute und dementsprechend teure Spieler aus. So ist der Marktwert pro Klub in 20er-Ligen vielfach höher als in kleineren Staffeln.

Österreich reiht sich mit fast 35 Millionen Euro pro Klub auch bei diesem Kennwert weit über dem Mittel der 16er-Ligen ein. Freilich hält der FC Red Bull Salzburg in diesem Fall eine Sonderstellung, steuert er doch allein rund die Hälfte des Bundesliga-Marktwerts bei. Doch selbst ohne Salzburg läge die restliche Bundesliga mit etwa 18 Millionen Euro pro Verein noch immer klar über dem Median der 16er-Ligen.

Wo sich gute und wertvolle Spieler tummeln, ist der Fußball schließlich überproportional erfolgreich. Der Spielstärke kann man sich etwa über jene Punkte annähern, die die international tätigen Ligavertreter in der Uefa-Fünfjahreswertung sammeln.

Zum Ende der letzten abgeschlossenen Saison hielt Österreich bei dieser Kennziffer bei 34.000 Punkten und ließ die mittleren Vergleichswerte von anderen 16er- oder kleineren Ligen neuerlich klar hinter sich.

II. Das Potenzial der Aufrücker

Im Vergleich mit anderen 16er-Liga-Nationen wirkt Österreich also durchaus konkurrenzfähig. Was für andere Länder passt, muss aber noch lange nicht für Österreich passen. Der Blick sei also nach innen gerichtet. Die zentrale Frage lautet wohl, ob die Aufrücker das sportliche und wirtschaftliche Potenzial hätten, um die Qualität der Bundesliga nicht zu sehr zu drücken.

Von heute zwölf auf in Zukunft 16 Vereine würde nach Adam Ries bedeuten, eine Lücke von vier Vereinen zu schließen. Naheliegenderweise würde dieses Quartett am oberen Ende der nächsten Leistungsstufe rekrutiert werden, also in der Zweiten Liga. Wie gut könnten diese Teams mithalten?

Blicken wir zunächst auf den rein sportlichen Aspekt. Abbilden lässt sich dieser am ehesten über das Abschneiden jener Teams, die in den letzten Jahren auf regulärem Weg diese Kluft zwischen Bundesliga und Zweiter Liga überwunden haben – der Aufsteiger.

Tatsächlich haben sich die Emporkömmlinge in den vergangenen zwanzig Jahren relativ gut in der obersten Spielklasse gehalten. Seit der Saison 2002/03 landeten nur zwei Teams gleich im Aufstiegsjahr wieder im Tabellenkeller: Während Wacker Innsbruck 2019 auf der Stelle den Retourgang einlegte, mussten die Landsleute vom WSG Tirol 2020 nur deshalb nicht wieder in die Zweitklassigkeit zurück, weil gleichzeitig der sportliche Arm der insolventen Mattersburger Commerzialbank den Spielbetrieb von sich aus aufgab und die Liga verließ.

Der zweite Roman ist der schwierigste, das zweite Musikalbum auch. Oft gilt das auch im Fußball. Im Jahr des Aufstiegs reitet man noch auf der Welle der Euphorie, im folgenden Jahr muss man im harten Alltag abliefern. Doch auch das gelang den meisten Klubs recht gut. Mit St. Pölten stand 2017/18 lediglich ein einziger Verein in Jahr zwei nach dem Aufstieg wieder auf einem Abstiegsrang; auch die Wölfe durften oben bleiben, in diesem Fall über den Gewinn einer außerordentlichen Relegation, die die Bundesliga im Zuge der Aufstockung von der Zehner- auf die Zwölferliga einberief.

Erst im dritten Jahr nach dem jeweiligen Aufstieg häuft sich die Zahl der Wiederabsteiger: Beim SCR Altach war es 2009 so weit, bei SV Grödig 2016 und der SV Ried 2023.

Diesen sechs nominellen Abstiegsplätzen stehen seit 2003 nicht weniger als 15 Europacup-Teilnahmen gegenüber, die die Aufsteiger in ihren ersten drei Jahren des Bundesliga-Daseins errangen. Admira Wacker Mödling 2012, Grödig 2014 und Altach 2015 bestiegen unmittelbar in der Aufstiegssaison mit Rang drei das Podest. 2005er-Neuling Ried wurde in der Premierensaison Vierter und ein Jahr später gar Vizemeister – ein Kunststück, das der LASK ab 2017 wiederholte.

Im Durchschnitt der vergangenen zwanzig Jahre landete der Aufsteiger zu Zehnerliga-Zeiten auf dem sechsten Tabellenrang (konkret 5,71) und zu Zwölferliga-Zeiten auf dem neunten Rang (9,30). Wer also in einer Saison gut genug für das Spitzenfeld von Liga Zwa war, wurde in der darauffolgenden Saison in der Bundesliga alles andere als durchgereicht und abgehängt.

Ein weiteres Argument wider eine Aufstockung ist jenes der Publikumsausdünnung. Wenn nicht genügend Wiener Derbys pro Saison stattfinden und die Großvereine stattdessen das eine oder andere Mal öfter eine Landpartie in kleineren Stadien antreten müssen, wird sich der Zuschauerschnitt nicht halten lassen. So ungefähr lautet der Einwand.

In Wahrheit mindern die von unten kommenden Klubs keineswegs den Zuschauerzuspruch. Der langfristige Vergleich in der Grafik zeigt für jede Saison den Heimspielschnitt der drei bestbesuchten Vereine (zuletzt meist Rapid, Salzburg und Sturm im fünfstelligen Bereich) sowie jene des jeweiligen Aufsteigers und des restlichen Feldes. Wenig überraschend: Mit den besten drei können die Aufsteiger nicht mithalten. Mit den übrigen sechs Teams (in der Zehnerliga) beziehungsweise acht Teams (in der Zwölferliga) aber sehr wohl.

Jedes Frühjahr tagt mit dem Senat 5 der Bundesliga das erstinstanzliche Lizenzgremium. Seine Entscheidungen taugen, auch wenn sie in den Berufungsausschüssen revidiert werden können, als Indikator, ob Vereine neben dem sportlichen Aspekt auch in finanziellen und infrastrukturellen Fragen als bundesligareif durchgehen.

Die Aufsteiger stehen in diesem Punkt der jeweiligen Stammbelegschaft in nichts nach. Zwischen 2003 und 2023 fiel mit Wacker Innsbruck (2011) lediglich ein einziger Aufsteiger erstinstanzlich durch die Prüfung. Unter Auflagen erhielten die Aufsteiger Admira Wacker Mödling (2012), SV Grödig (2014), SCR Altach (2015) und Wacker Innsbruck (2019) die Lizenz. In allen anderen Jahren gab es am Management der Neulinge von Anfang an nichts zu bemängeln.

(Für kommende Saison hat der überlegene Zweitliga-Tabellenführer GAK vergangene Woche die Lizenz genauso im ersten Anlauf erhalten wie der letztjährige Aufsteiger Blau-Weiß Linz. Dem LASK wurde die Lizenz als einzigem Bundesligisten zunächst verweigert.)

Anteilsmäßig bedeutet das, dass in diesem Zeitraum fast 96 Prozent der Aufsteiger die Lizenz mit oder ohne Auflage erstinstanzlich erhielten. Auf die bestehenden Teams trifft das nur zu knapp 88 Prozent zu.

III. Der Wille zur Umsetzung

Es gibt also durchaus Argumente, die für eine 16er-Liga sprechen würden. Eine Aufstockung ist in näherer Zukunft trotzdem unwahrscheinlich. Was in der Vergangenheit stets dagegen vorgebracht wurde: Für eine 16er-Liga seien 16 Klubs dauerhaft zu wenig. Das klingt mathematisch verwegen, aber für eine langfristige Etablierung sind ein paar mehr Klubs als Puffer nötig, die allesamt die finanziellen und infrastrukturellen Erfordernisse erfüllen. "Bei der letzten Liga-Reform gab es eine Studie, wie viele Profi-Klubs hierzulande möglich sind, damals sind 14 oder 15 rausgekommen", sagte Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer im vergangenen Jahr zu „Laola1".

Die Reform ist allerdings schon einige Jahre her, und zuletzt orientierten sich deutlich mehr Klubs nach oben. Zwischen 2019/20 und 2023/24 beantragten immer jeweils 17 Vereine die Lizenz für die höchste Liga. Im aktuellen Verfahren für 2024/25 sind es erstmals 20 Klubs – neben den zwölf Bundesligisten reichten also nicht weniger als acht Zweitligisten einen Antrag ein und bekundeten damit Erstligainteresse.

Gedanken in alle Richtungen seien legitim, sagte Ebenbauer damals. Aber: "Das aktuelle Format funktioniert" – und lieferte damit ein weiteres Argument gegen die 16er-Liga. Der Zuschauerschnitt ist etwa seit der letzten Reform 2018/19 – wenn man die Corona-Auswirkungen ausklammert – gestiegen. In den letzten drei Jahren von rund 5.700 auf heuer 8.000 (nach 26 Spieltagen). Bei mehr Teilnehmern müssten die Klubs zudem die Einnahmen untereinander stärker aufteilen.

Ligaübergreifende Formatdebatten

Aktuell wollte sich die Bundesliga auf STANDARD-Anfrage nicht zum Thema 16er-Liga äußern. Im März sagte Ebenbauer im "Ansakonferenz"-Podcast, „bei der Anzahl der Klubs wird sich nicht maßgeblich was ändern, ist meine Einschätzung“.

Im Juni steigt jedenfalls die Bundesliga-Hauptversammlung. Dort soll entschieden werden, in welchem Format und welchem Modus ab der Saison 2026/27 in den beiden höchsten Ligen gespielt werden soll. Bis dahin gelten noch die aktuellen Medien- und Verwertungsrechte.

Vor allem dürfte diskutiert werden, wie künftig die Zweite Liga ausgestaltet werden soll. In der Saison 2021/22 haben gleich 13 der 16 Vereine rote Zahlen geschrieben. "Diese Liga ist finanziell herausfordernd", sagte Ebenbauer zu "Laola 1". Wichtig: Bei Formatdebatten geht es nie nur um eine Liga. Wer über die Bundesliga redet, muss auch die Zweite Liga mitbedenken. Wer über die Zweite Liga diskutiert, kommt um das Unterfutter der drittklassigen Regionalligen und der vierten Ligen nicht herum. Das Schicksal der einen Liga beeinflusst jenes der umliegenden.

Die Anzahl der Bundesliga-Klubs wird auf der Hauptversammlung jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Thema sein. Es bleibt also eine theoretische Überlegung. Diskutiert werden könnte hingegen die Punkteteilung nach dem Grunddurchgang. Fällt diese weg, wäre zumindest der Modus wieder ein bisschen einfacher zu erklären. (Michael Matzenberger, Andreas Gstaltmeyr, 19.4.2024)

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